Die Geschichte der „Exodus 1947“
“Exodus 1947” – Yochanan und Rivka Levy (Hans und Regine Loewy) erinnern sich Weitere Quellen:
Halamish: ‘Exodus – The Real Story.
(Hebrew edition) Tel Aviv University; Am Oved, Tel Aviv, 1990.
Jacques Derogy: ‘La Loi du Retour’, (French edition) Fayard, 1969.
Anita Shapira, Hrsg.: ‘Haapala’, (Hebrew) Studies in the History of Illegal Immigration into Palestine 1934-1948.
Aviva Halamish:’ The Exodus sea battle on the shores of Israel’, pp. 302-333. Tel Aviv University; Am Oved, Tel Aviv, 1990.
Hans (20) und Regine (19) Loewy
‘Illegale Immigration’ - Alija Bet’[1].
Die Büros der Fédération des sociétés juives de France[2] (FSJF) und “Hehalutz” lagen im gleichen Gebäude in Marseille wie die Wohnung, in der ich mit meinen Eltern von 1940 bis 1941 lebte. Die Hehalutz-Gruppe organisierte für die ankommenden Holocaust-Flüchtlinge elf Aufnahmelager[3] von Bandol, östlich von Marseille bis Salon an der Rhone. Die gesamte Aufnahmekapazität dieser Lager betrug etwa 1.650 Personen. Die Hehalutz-Gruppe konnte auch über zwei ehemalige Lager der französischen Armee in Grand Arenas mit einer Kapazität von 10.000 Personen verfügen. All diese Lager waren durch das American Joint Distribution Committee (AJDC, bzw. „Joint“) ausgestattet worden.
Vorbereitungen für die Überfahrt der „Exodus 1947“
Die Ankunft der für die Überfahrt vorgesehenen Holocaustüberlebenden.
Am 30. Juni 1947 kam die erste Gruppe von Holocaustüberlebenden mit dem Zug im Frachtdepot von Le Canet an, das sich in der Nähe des Hafens von Marseille befand. Insgesamt 6.000 Geflüchtete kamen in fünf Zügen an. Vierzig „Overland“-Laster, die jeweils 30 Personen transportieren konnten, brachten die Geflüchteten von den Zügen in verschiedene Lager in der Region von Marseille. Die Flüchtlinge aus den Lagern in Deutschland trugen alle eine Art gelb-braune „Uniform“. Diese handgenähten Uniformen waren aus amerikanischen Armeelaken gefertigt, die in den Lagern verteilt wurden. Bis zum 7. Juli 1947 hatten sich 5.000 Überlebende in den Lagern gesammelt, die für das nächste Schiff vorgesehen waren.
Die Organisation des Transports
172 Lastwagen wurden angemietet, um die Menschen aus den Lagern zum Hafen zu bringen; 20 davon standen als Ersatz bereit, für den Fall, dass es auf der 200 km langen Fahrt Pannen gäbe. Es wurde auch eine Begleitflotte von 20 Taxis eingesetzt, die von Mitarbeitern der Alija Bet genutzt wurden, um immer nahe bei den Konvois zu sein, damit bei Bedarf Reparaturen oder Kontrollen an den Lastwagen durchgeführt werden konnten.
Ausgerechnet in diesen Tagen begannen die französischen Gewerkschaften einen Transportstreik. Hehalutz übergab der Fahrergewerkschaft eine Spende von einer Million Francs, vordergründig war es eine „Beitragszahlung in bar“. Als Gegenleistung besorgten die Gewerkschaften der Hehalutz Transitpässe, mit denen sie die Straßenblockaden der Streikenden passieren durften.
Menschenmassen setzen sich in Bewegung
In der Mittwochnacht zwischen dem 9. und 10. Juli 1947 wurde das Startsignal gegeben. Geflüchtete und lokale Juden – zu denen auch Rivka und ich gehörten – sollten zwischen 22:00 und 3:00 Uhr die Lastwagen besteigen. Insgesamt 12 Konvois aus jeweils 12 bis 13 Lastwagen setzten sich in Intervallen von 50 km Abstand zueinander in Bewegung und benutzten darüber hinaus verschiedene Strecken. Kontrollpunkte wurden in Arles und Salon eingerichtet. Bei einer fünfstündigen Fahrt mussten natürlich auch kurze Stopps eingeplant werden, um den Reisenden die Fahrt zu erleichtern. Folglich scherte hier und da ein Fahrzeug aus und die anderen mussten so lange warten, bis der jeweilige Lastwagen seinen zugeteilten Platz wieder eingenommen hatte. Der letzte Haltepunkt lag etwa 10 km vor dem Hafen von Sète.
Die Begleitung der Konvois
Rivka und ich wurden angewiesen, den Konvoi aus dem Lager Caillol-A zu begleiten. Unsere Aufgabe als französische Muttersprachler war es, die Immigranten an den Straßensperren gegenüber der Polizei und den Streikenden zu vertreten. Es war auch unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Fahrer den Zeitplan für die geplante Ankunft an den Kontrollpunkten entlang der Strecke einhielten. Die Begleitperson saß neben dem Fahrer; er oder sie erhielt verschlossene Umschläge mit Anweisungen für vorgesehene Strecke und den Zeitplan für die Ankunft an den Kontrollpunkten.
Ein zusätzliches Problem war in jenen Tagen, Stationen zu finden, wo Tankholz für die Holzvergaser erhältlich war, die alle zehn bis fünfzehn Kilometer nachgefüllt werden mussten. Die Zeit für das Auffüllen der Holzvergaser war in die Marschbefehle einkalkuliert.
Unser ursprünglicher Zeitplan verschob sich, weil bestimmte Streckenabschnitte für die Tour de France von 1947 zwischen Montpellier und Carcassonne gesperrt und Umleitungen eingerichtet worden waren. Zeitungsfotografen und Kameraleute von MGM und anderen Diensten – CNN gab es damals noch nicht – hatten sich an den Straßen postiert und „verewigten“ mit demselben Recht die Durchfahrt mancher unserer Konvois. Diese Fotos waren hervorragende Beweismittel für den britischen Geheimdienst. Als Folge all dieser Verzögerungen erreichte unser Konvoi Sète erst gegen 5:00 Uhr.
Die SS President Warfield
Unser Lastwagen kam in den frühen Morgenstunden im Hafen von Sète an. Es gab ganze Schlangen von Lastwagen mit Flüchtlingen an Bord, die vor uns an der Reihe waren. Wir, die Begleitpersonen, mussten lange warten, bevor wir unser Ziel erreichten: die Gangway des amerikanischen Flussschiffes, das tief im Wasser lag, die SS President Warfield.
[1] Das Institut für Illegale Immigration – auf Hebräisch: Hamossad le-Alyia B’.
[2] Organisationen, die in direkter Absprache mit ‘Hehalutz’ (Pioniere) agierten und die ‘Aliya B’ Institution, 24, Rue des Convalescents, Marseille
[3] La Madrague de Montredon in Marseille, La Ciotat, Le Bec d’Aigle, Bandol, Billa Barry; die Logistikzentren waren in Saint Jerôme, Villa les Tilleuls.
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Die Route der Ma’apilim auf der Exodus-1947 im Mittelmeer
Interaktive Karte
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Die Fahrtroute vom Hafen in Sète nach Haifa ---> ---
Die Überfahrt der 3 Deportationsschiffe von Haifa nach Port de Bouc und Gibraltar ---> ---
Freitag, 11. Juli
Die President Warfield startete ihren Motor und verließ den Quai um 3:30 Uhr am 11. Juli 1947 ohne Lotsen. Eines der Taue fiel ins Wasser und verfing sich in der Schiffsschraube. Ein Matrose musste unter das Schiff tauchen, um das Tau zu entwirren. Kurze Zeit später lief das Schiff auf eine Sandbank im flachen Hafenbecken auf und kollidierte mit dem Pier. Es war harte Arbeit, bis die „President“ es schaffte, den Hafen von Sète am Freitagmorgen um 6:30 Uhr zu verlassen.
Sobald die „President“ das offene Meer erreicht hatte, wurde sie von der britischen Marine erfasst; das war wenig überraschend, denn es war unmöglich, gänzlich zu verbergen, worauf das Schiff vorbereitet worden war. Der Zerstörer „HMS Mermaid“ begleitete die „President“ von dem Augenblick an, als sie aufs Mittelmeer hinaus fuhr.
Samstag, 12. Juli
Ein anderes Kriegsschiff nähert sich uns. Zwei Flugzeuge von dessen Deck fliegen knapp 20 Meter über uns hinweg und fotografieren unser Schiff fortwährend. Unsere Geschwindigkeit ist absichtlich langsam – zwischen 12 und 13 Knoten – um nicht zu verraten, welche Höchstgeschwindigkeit unser Schiff erreichen kann. Um Mitternacht stellen wir unsere Uhren eine Stunde vor. Die See ist ruhig.
In den Nachmittagsstunden passiert unser Schiff die Insel Pantelleria in der Straße von Sizilien. Die See wird rauher. In der Nacht wird ein Baby geboren – noch ein Passagier an Bord.
Sonntag, 13. Juli
Ein amerikanischer Frachter nähert sich uns, um uns zu salutieren. Einer der britischen Zerstörer macht einen Höflichkeitsbesuch an Bord des Frachters. Ein weiteres Baby wird geboren. Gegen Mittag ist das Schiff in der Nähe von Malta. Während der Nacht nähern sich zwei weitere britische Schiffe zu unserer Begleitung: Zerstörer R36 und Kreuzer „Ajax“.
Montag, 14. Juli
Lautsprecher spielen die französische Nationalhymne „La Marseillaise“ zu Ehren des französischen Unabhängigkeitstages. Das Schiff hält an, weil es Motorprobleme gibt. Es ist ein heißer Tag und es ist windstill. Die Abwasserrohre sind verstopft. Die Tagesration Wasser wird auf einen halben Liter pro Person reduziert.
Dienstag, 15. Juli
Der neue Name des Schiffes wird über Lautsprecher bekanntgegeben: „Exodus 1947“. Die Passagiere bereiten Banner und Nationalflaggen vor. Die junge Mutter, die am Montag ein Kind bekommen hat, stirbt. Das Schiff stoppt den Motor um 18:00 Uhr, während ihr junger Körper den Wellen übergeben wird. Das Baby wird einer anderen stillenden Mutter anvertraut.
Mittwoch, 16. Juli
Die britische Marine eskortiert die Exodus mit fünf Zerstörern unter dem Kommando des Leichten Kreuzers „Ajax“. Auf Höhe der libyschen Küste kommen zwei weitere Schiffe zu unserer Eskorte hinzu, es sind Minensuchboote. Unser Kommandant und unser Kapitän erwarten, dass es bald zum Kampf kommt. Seit 1:00 Uhr morgens schippert unser Schiff an der ägyptischen Küste entlang. Um 2:00 Uhr beginnen wir, unserer Dokumente und Pässe zu vernichten.
Freitag, 18. Juli
Der Kampf
Um 1:52 Uhr erhalten die britischen Zerstörer die Order, in „Kampfstellung“ zu gehen.
Um 2:42 Uhr gibt der Kapitän der Exodus seinem Hauptquartier die genaue Position des Schiffes durch. 20 Meilen westlich von den Stränden von Gaza. Gleichzeitig erhielten die britischen Zerstörer den Befehl, die Spezialeinheiten an Bord der Exodus zu bringen. Um 5:15 Uhr war der Kampf vorbei.
Freitag, 18. Juli
Einfahrt in den Hafen von Haifa
Die Exodus konnte selbstständig mit 13 Knoten fahren, begleitet von britischen Marineeinheiten. Sie erreichte den Hafen gegen 16:00 Uhr. An Bord der Exodus stimmten die Immigranten spontan die „Hatikwa“ an. Schließlich wurde sie um 16:30 Uhr am Pier festgetäut.
Samstag, 20. Juli
Die drei Deportationsschiffe verlassen den Hafen von Haifa. Sie heißen „Empire Rival“, „Ocean Vigor“ und „Runnymede Park“. Der erzwungene Transfer auf die Gefängnisschiffe ist um 5:30 Uhr abgeschlossen. Die Schiffe verlassen den Hafen zwischen 6:00 und 6:30 Uhr Richtung Westen.
Samstag, 26. Juli
Die Deportationsschiffe passieren die Insel Pantelleria.
Montag, 28. Juli
Die Schiffe sind bereits 10 Tage auf See, seit die Immigranten in Haifa für eine „kurze 18-stündige Kreuzfahrt“ an Bord gingen.
Freitag, 22. August
Um 18:00 Uhr verlassen die drei Deportationsschiffe Port de Bouc in Richtung Gibraltar und Hamburger Hafen. 25 Tonnen Nahrungsmittel wurden an Bord der drei Deportationsschiffe genommen. Außerhalb der Bucht tobt auf offener See ein Sturm.
Samstag, 29. Juli
Die Deportations- und Gefängnisschiffe erreichen französische Hoheitsgewässer durch den engen Kanal von Port de Bouc. Die Schiffe sollten eigentlich um 4:00 Uhr im Hafen vor Anker gehen, erreichen diesen aber erst um 7:00 Uhr. Die britischen Einheiten dürfen sich der französischen Küste nicht nähern und bleiben außerhalb der 4-Meilen-Grenze.
Dienstag, 26. August
Die Deportationsschiffe gehen im Hafen von Gibraltar vor Anker, bevor sie die Passage durch die Biskaya antreten und im Hamburger Hafen ankommen.
Die Schiffe nehmen dort Kohle auf. Nachts ist der Hafen von starken Suchscheinwerfern hell erleuchtet und rund um die Schiffe herum detonieren Wasserbomben, die verhindern sollen, dass israelische Kommandos die Schiffe sabotieren.
Freitag, 29. August
Zwischen 7:00 und 9:00 Uhr verlassen die drei Deportationsschiffe den Hafen von Gibraltar. Der Himmel ist bewölkt und die Schiffe schaukeln in der stürmischen See. Die Immigranten übergeben sich unaufhörlich.
Die Reise der Ma’apilim auf der Exodus-1947 vom Hafen in Sète und wieder zurück nach Port-de-Bouc und Hamburg, wie Hans Loewy sie in seinem Notizbuch festgehalten hat, als er im DP-Lager Pöppendorf ankam.
Weitere Videos, die die historische Geschichte erzählen
Eine Sammlung von Fotos, die die historische Geschichte erzählen